31-10-1941 Koch

(Letzte Bearbeitung / last updated on 25/01/2024)

Brief von Thekla und Ludwig Koch an ihr Enkeltochter Lieselotte in Chicago vom 31. Oktober 1941. / Letter from Thekla and Ludwig Koch to their granddaughter Lieselotte in Chicago dated 31 October 1941.

Transkription / Transcription

31-10-1941

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Alzey, am 31. Okt 41.

Meine liebe, gute Lieselotte,
heute Morgen erhielten [wir] Deinen l. [lieben] Brief vom 2.X. & [ich] danke Dir herzlich für Deine gut gemeinten Wünsche, die wir sehr gut gebrauchen können in all der Aufregung, die uns alle beherrscht. Gleichzeitig erhielten [wir] 2 Briefe von Tante Laura von Cincinnati aus, dieselbe war 3 Wochen, während der Feiertage bei [dem] l. [lieben] Erich & hat bei Lorges[?] gewohnt, dieselbe hast Du ja von Tante Ella Scheuer gekannt & ist jetzt wieder zu Hause. In der vorigen Woche sind so viele Familien von Frankfurt abgereist ins Ungewisse, schrieb Onkel Jakob1Es handelts sich um Jakob Ludwig Liebmann (1868 in Alzey, ✡1942 in Frankfurt). heute Morgen, es sind auch verschiedene Bekannte von hier dabei gewesen.2Die Anspielung auf eine Abreise ins Ungewisse bezieht sich auf die erste Massendeportation von über 1.100 Frankfurter Juden vom Areal der Großmarkthalle zum Getto in Litzmannstadt (Lodz) am 20. Oktober 1941. Frau Sally Strauß mit Marianne erhielten [ein] Telegramm von [den] U.S.A., daß sie über Cuba abreisen könnten, es ist aber immer noch mit Umständen verknüpft, die erst gelöst werden müssen, ebenso hat sich der l. [liebe] Opa [eine] Bescheinigung geholt, um nach Mainz zu fahren, er war schon Wochen lang nicht mehr dort & hat Verschiedenes zu erledigen. Mir geht es G.s.D. [Gottseidank] wieder ziemlich gut & [ich] besorge mit Paula immer noch meinen Haushalt, so lange es geht. Daß Du, mein liebes Kind, einen so schönen Geburtstag gefeiert hast, hat mich sehr gefreut & kannst Du Tante Jenny dankbar sein, Dir so schöne Stunden bereitet zu haben. Wer ist der Freund? Am meisten Befriedigung sehe [ich] darin, daß Du mit [der] l. [lieben] Ruth immer in Verbindung bleiben kannst & danke ich Gott, daß Ihr gut aufgehoben seid. Denke Dir, Liesel Weinmann ist mit ihrer Mutter & Großmutter noch hier, der Vater depeschierte diese Woche, sie könnten über Cuba reisen, ein paar Tage später erhielten sie [ein] Telegramm, daß ihr Vater an einem Herzschlag gestorben sei & so ist überall was anderes. – Jetzt glaube ich alles Bemerkenswerte geschrieben zu haben, bleibe gesund & empfange viele herzliche Grüße & Küße von Deiner Dich liebenden Oma.

Meine liebe gute Lieselotte! Ich freue mich stets, wenn eine gute zufriedene [?] Nachricht von Dir eintrifft. Das ist für uns Alte eine sehr große Beruhigung. Wer ist Dein guter Freund, der Dich so schön beschenkt hat, hast Du diesen Herrn schon ausgewählt und bevorzugt? [Ich] bitte [Dich], mit offenem Herzen alle Details zu berichten. Vergangenheit. Gegenwart und Zukunft. Noch die herzlichsten Grüße an [die] liebe Ruth. [?] einen süßen kräftigen Kuß in Gedanken für Dich, mein liebes Kind, Dein Dich liebender Opa.

Deutsch     Anfang / Top

Alzey, 31 October 41.

My dear, dear Lieselotte,
This morning we received your dear letter of October 2 and I thank you very much for your well-meant wishes, which we can use very well in all the excitement that is dominating us all. At the same time we received 2 letters from Aunt Laura in Cincinnati. She was with dear Erich for 3 weeks during the holidays and stayed with Lorges[?], you knew her from Aunt Ella Scheuer and she is now back home. Last week so many families departed from Frankfurt into the unknown, Uncle Jakob3He is Jakob Ludwig Liebmann (1868 in Alzey, ✡1942 in Frankfurt). wrote this morning, and various acquaintances from here were among them.4The allusion to a departure into the unknown refers to the first mass deportation of over 1,100 Frankfurt Jews from the Grossmarkthalle area to the ghetto in Litzmannstadt (Lodz) on October 20, 1941. Only three of the deportees experienced liberation in 1945. Mrs. Sally Strauss and Marianne received a telegram from the USA that they could leave via Cuba, but it is still linked to circumstances that must first be resolved. Dear Grandpa has also obtained a certificate to travel to Mainz. He hasn’t been there for weeks and has various things to do. Thank God I’m doing pretty well again and I’m still doing my housework with Paula as long as I can. I was very pleased that you, my dear child, had such a lovely birthday. You can be grateful to Aunt Jenny for giving you such a good time. Who is the friend? What I find most satisfying is that you can always stay in touch with dear Ruth and I thank God that you both are in good hands. Imagine that Liesel Weinmann is still here with her mother and grandmother. Her father depesched this week that they could travel via Cuba. A few days later they received a telegram that her father had died of a heart attack. So everywhere is something different. – Now I think I have written everything worth noting. Stay healthy and receive many warm greetings and kisses from your loving Oma.

My dear good Lieselotte! I am always happy when I receive good, happy [?] news from you. It is very calming for us old people. Who is your good friend who has given you such a beautiful gift, have you already chosen and favored this gentleman? I ask you to tell me all the details with an open heart. Past. Present and future. Warmest greetings to dear Ruth. [illegible ?] A sweet, strong kiss in my thoughts for you, my dear child, your loving Opa.

Anmerkungen / Notes
  • 1
    Es handelts sich um Jakob Ludwig Liebmann (1868 in Alzey, ✡1942 in Frankfurt).
  • 2
    Die Anspielung auf eine Abreise ins Ungewisse bezieht sich auf die erste Massendeportation von über 1.100 Frankfurter Juden vom Areal der Großmarkthalle zum Getto in Litzmannstadt (Lodz) am 20. Oktober 1941.
  • 3
    He is Jakob Ludwig Liebmann (1868 in Alzey, ✡1942 in Frankfurt).
  • 4
    The allusion to a departure into the unknown refers to the first mass deportation of over 1,100 Frankfurt Jews from the Grossmarkthalle area to the ghetto in Litzmannstadt (Lodz) on October 20, 1941. Only three of the deportees experienced liberation in 1945.