07-04-1940 Guckenheimer

(Letzte Bearbeitung / last updated on 20/03/2024)

Brief von Settchen und Adolf Guckenheimer an ihre Enkeltochter Ruth in Coventry vom 7. April 1940. / Letter from Settchen and Adolf Guckenheimer to their granddaughter Ruth in Coventry dated 7th of April 1940.

Transkription / Transcription

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7. April. Meine liebe Ruth (Dudelsack)! Unsere Briefe vom 13. März, 20. und 30. hoffe ich in Deinem Besitze. Wir hatten die letzte Nachricht von Dir vom 13. März und hoffen, recht bald von Dir Gutes zu hören. Von Lieselotte hörten wir gestern und sie schreibt Gottseidank gut und zufrieden. Deine Alzeyer Großeltern wünschen sich, mal wieder von Euch zu hören. Onkel Julius aus Friedberg arbeitet zur Zeit hier an dem Palästina-Amt. Sie können immer noch nicht reisen. Oberländer sind auch noch hier. Alix1Vermutlich Alix Oberlaender, die am 06.08.1924 in Mannheim geboren wurde. Die Familie wohnte im Bornwiesenweg 34, direkt in der Nähe der Großeltern Guckenheimer. Die letzte Frankfurter Adresse war Hansaallee 7. Die Familie Oberlaender (Fritz und Adelheid, geb. Wolff, und ihre Tochter Alice) wurde am 11.11.1941 nach Minsk deportiert. bedauert sehr, dass Sie nicht bei Dir und der anderen Freunden sein kann. Liebe Ruth, jetzt hat Ida Levi2Ida Levi (*06.06.1912), wohnte in der Sternstraße 36, direkt in der Nachbarschaft der Hammanstraße 4. Sie ist in die USA ausgewandert. und Bruno Wolf3Bruno Wolf, geb. am 16.10.1878 in Mainz, wohnte in der Fürstenbergerstr. 175 (laut Zählung vom 17.05.1939). geschrieben. Ich habe Dir ja schon öfters geschrieben, dass ich Ida zum Abschied sehr schön beschenkt habe und sie wird Dir sicher die schönen Sachen mal zeigen. Hat Hildes Mutter schon geschrieben, seitdem sie bei uns war? Es ist eine sehr brave Frau. Vom 15. April an sind wir ohne Mädchen, da wir nicht mehr so viel Arbeit haben. Habe H. gekündigt. Sie tut mir sehr leid, denn es ist ein sehr braves und anständiges Mädchen, so ruhig und gelassen. Sie hat wieder eine andere Stelle angenommen. Wir nehmen nur jemand für halbe Tage. Am Mittwoch ist Friedel Schott4Vermutlich Siegfried Schott, genannt Friedel, aus der Frankfurter Str. 35 aus Groß-Gerau, der 1940 in die USA ausgewandert ist. Seine Mutter ist Mathilde Schott, geb. Guckenheimer, sein Vater Markus Schott. Seine Auswanderung für Ende März geplant. Emil Marx schreibt an seinen Sohn Martin in Chicago: „Heute Mittag wollen wir zu Friedel Schott gehen, der in 14 Tagen auswandern will; er wird dir nach seiner Ankunft schreiben“ (Marx-Briefe vom 17. März 1940). Ausgewandert ist er am 3. April 1940. abgereist, also einer nach dem andern. Und wenn Gott will, kommt die Reihe auch noch an uns. Wie ich hörte, ist Familie Adelsberger auch von hier weg. Ist ihre Tochter noch bei Dir? Heute ist sehr schönes Wetter und wir wollen nachher ein bisschen spazieren gehen. Was treibst Du Sonntags? Gehst Du mit Tante und Onkel Josef aus oder mit Deinen Freundinnen? Sind die Frankfurter Mädels noch alle da? Wie geht es Lieselotte Stern?5Vermutlich Bertha Lieselotte Stern, geb. 22.03.1926, Eltern: Ferdinand Stern (1890-1938) und Martha, geb. Katz (1897- 1942, Sobibor). Im Rahmen der Pogromnacht gab es heftige Ausschreitungen gegen die Familie Stern. Nach der Pogromnacht, der Deportation des Vaters nach Buchenwald und dessen Tod musste sie am 15. Februar zusammen mit Mutter und Geschwistern die Wohnung in Frankenberg verlassen. Sie zogen nach Frankfurt, wo ihre Großmutter mütterlicherseits lebte. Möglicherweise wohnten sie zeitweise auch bei einem Neffen von Ferdinand Stern in der Maurerstraße 3 im 2. Stock. Die Mutter absolvierte eine Ausbildung zur Schneiderin und bemühte sich um Auswanderungsmöglichkeiten. Die Kinder Bertha Lieselotte und Helmut konnten mit den Kindertransporten ausreisen. Hast Du etwas von Hilde und Irma gehört? Liselotte schreibt, sie hatte Post von Dir gehabt und hätte sich sehr darüber gefreut. Sicher habt Ihr bei dem besseren Wetter jetzt mehr im Geschäft zu tun. Was macht deine Garderobe, Schuhe & Strümpfe? Halte nur alles gut, da doch einiges mehr schicken und kaufen kann. Von Tante Jenny6Tante Jenny ist eine ausgewanderte Cousine von Adolf Guckenheimer in Chicago, die für Lieselotte das notwendige „Affidavit“ besorgen sollte, also eine Bürgschaft, die garantieren sollte, dass der Eingereiste finanziell nie dem Einreiseland zur Last fallen würde, da die Unterstützung durch den jeweiligen Bürgen erfolgen wird. haben wir immer noch nichts gehört und ist dies sehr bedauerlich. Am Mittwoch kam Tante Roses Brief. Tante Luzie7Vermutlich Luzie Levi [Lucie Loory], geb. Guckenheimer (*20.01.1906, †27.12.1962), 1939 Flucht in die USA. schreibt sehr ausführlich. Marianne sei so groß geworden und hilft schon viel im Geschäft und Haushalt mit. So hat Tante L. eine gute Stütze. So mein liebe Ruth, bleibe gesund!

Grüße bitte die liebe Familie Josef, Berta und Hilde und sei selbst gegrüßt und innigst geküsst!

Deine Oma

Liebe Ruth! Ganz liebe Grüße und Küsse von Opa

Liebe Ruth, auch von mir viele Grüße und Küsse, deine Kata

Deutsch     Anfang / Top

April 7. My dear Ruth (Bagpipe)! Our letters of March 13, 20 and 30, I hope are in your possession. We had the last message from you on March 13 and hope to hear good news from you quite soon. We heard from Lieselotte yesterday and thank God she is writing well and contentedly. Your grandparents in Alzey wish to hear from you again. Uncle Julius from Friedberg is working on the Palestine office here at the moment. They are still unable to travel. Oberländer are also still here. Alix8Probably Alix Oberlaender, who was born on 06.08.1924 in Mannheim. The family lived at Bornwiesenweg 34, directly near the Guckenheimer grandparents. The last address in Frankfurt was Hansaallee 7. The Oberlaender family (Fritz and Adelheid, née Wolff, and their daughter Alice) was deported to Minsk on 11/11/1941. is very sorry that she cannot be with you and the other friends. Dear Ruth, now Ida Levi9Ida Levi (*06.06.1912), lived at Sternstraße 36, directly in the neighborhood of Hammanstraße 4. She emigrated to the USA and Bruno Wolf10Bruno Wolf, born on 10/16/1878 in Mainz, lived at 175 Fürstenbergerstraße (according to the census of 5/17/1939). have written. I have already written to you several times that I gave Ida a very nice farewell present and she will surely show you the beautiful things. Has Hilde’s mother written since she was with us? She is a very good woman. From April 15 we will be without a girl, as we no longer have so much work. Have given notice to H. I feel very sorry for her, because it is a very good and decent girl, so quiet and calm. She has taken another job again. We only take someone for half days. On Wednesday Friedel Schott11Probably Siegfried Schott, called Friedel, from Frankfurter Str. 35 from Groß-Gerau, who emigrated to the USA in 1940. His mother is Mathilde Schott, née Guckenheimer, his father Markus Schott. His emigration planned for the end of March. Emil Marx writes to his son Martin in Chicago: „Today at noon we want to go to Friedel Schott, who wants to emigrate in 14 days; he will write to you after his arrival“ (Marx letters, March 17, 1940). He emigrated on April 3, 1940. left, so one after the other. And God willing, the turn will come to us as well. I heard that the Adelsberger family has also left. Is their daughter still with you? The weather is very nice today and we want to go for a walk later. What do you do on Sundays? Do you go out with Aunt and Uncle Josef or with your girlfriends? Are all the Frankfurt girls still there? How is Lieselotte Stern?12Presumably Bertha Lieselotte Stern, b. Mar. 22, 1926, parents: Ferdinand Stern (1890-1938) and Martha, née Katz (1897- 1942, Sobibor). During the Pogrom Night there were violent riots against the Stern family. After the Pogrom Night, the deportation of her father to Buchenwald and his death, she had to leave she had to leave the apartment in Frankenberg together with her mother and siblings on February 15. They moved to Frankfurt, where her maternal grandmother lived. Possibly they also lived for a time with a nephew of Ferdinand Stern at Maurerstraße 3 on the 2nd floor. The mother trained as a seamstress and sought emigration opportunities. The children Bertha Lieselotte and Helmut were able to emigrate with the Kindertransports. Have you heard anything from Hilde and Irma? Liselotte writes that she had received mail from you and was very happy about it. Surely you have more to do in the store now with the better weather. How is your wardrobe, shoes and stockings? Hold only everything well, since nevertheless some more send and can buy. We still have not heard from Aunt Jenny13Aunt Jenny is an emigrant cousin of Adolf Guckenheimer in Chicago, who was to procure the necessary „affidavit“ for Lieselotte, i.e. a guarantee that the immigrant would never be a financial burden to the country of entry, since the support will be provided by the respective guarantor. and this is very unfortunate. On Wednesday came Aunt Rose’s letter. Aunt Luzie14Probably Luzie Levi [Lucie Loory], née Guckenheimer (*20.01.1906, †27.12.1962), 1939 escape to the USA. writes in great detail. She says that Marianne has grown up so much and is already helping a lot in the store and household. So Aunt L. has a good support. So my dear Ruth, stay healthy!
Please greet the dear family Josef, Berta and Hilde and be greeted and kissed most sincerely yourself!
Your Oma

Dear Ruth! Very dear greetings and kisses from Opa
 

Dear Ruth, also from me many greetings and kisses, your Kata [?]

Anmerkungen / Notes
  • 1
    Vermutlich Alix Oberlaender, die am 06.08.1924 in Mannheim geboren wurde. Die Familie wohnte im Bornwiesenweg 34, direkt in der Nähe der Großeltern Guckenheimer. Die letzte Frankfurter Adresse war Hansaallee 7. Die Familie Oberlaender (Fritz und Adelheid, geb. Wolff, und ihre Tochter Alice) wurde am 11.11.1941 nach Minsk deportiert.
  • 2
    Ida Levi (*06.06.1912), wohnte in der Sternstraße 36, direkt in der Nachbarschaft der Hammanstraße 4. Sie ist in die USA ausgewandert.
  • 3
    Bruno Wolf, geb. am 16.10.1878 in Mainz, wohnte in der Fürstenbergerstr. 175 (laut Zählung vom 17.05.1939).
  • 4
    Vermutlich Siegfried Schott, genannt Friedel, aus der Frankfurter Str. 35 aus Groß-Gerau, der 1940 in die USA ausgewandert ist. Seine Mutter ist Mathilde Schott, geb. Guckenheimer, sein Vater Markus Schott. Seine Auswanderung für Ende März geplant. Emil Marx schreibt an seinen Sohn Martin in Chicago: „Heute Mittag wollen wir zu Friedel Schott gehen, der in 14 Tagen auswandern will; er wird dir nach seiner Ankunft schreiben“ (Marx-Briefe vom 17. März 1940). Ausgewandert ist er am 3. April 1940.
  • 5
    Vermutlich Bertha Lieselotte Stern, geb. 22.03.1926, Eltern: Ferdinand Stern (1890-1938) und Martha, geb. Katz (1897- 1942, Sobibor). Im Rahmen der Pogromnacht gab es heftige Ausschreitungen gegen die Familie Stern. Nach der Pogromnacht, der Deportation des Vaters nach Buchenwald und dessen Tod musste sie am 15. Februar zusammen mit Mutter und Geschwistern die Wohnung in Frankenberg verlassen. Sie zogen nach Frankfurt, wo ihre Großmutter mütterlicherseits lebte. Möglicherweise wohnten sie zeitweise auch bei einem Neffen von Ferdinand Stern in der Maurerstraße 3 im 2. Stock. Die Mutter absolvierte eine Ausbildung zur Schneiderin und bemühte sich um Auswanderungsmöglichkeiten. Die Kinder Bertha Lieselotte und Helmut konnten mit den Kindertransporten ausreisen.
  • 6
    Tante Jenny ist eine ausgewanderte Cousine von Adolf Guckenheimer in Chicago, die für Lieselotte das notwendige „Affidavit“ besorgen sollte, also eine Bürgschaft, die garantieren sollte, dass der Eingereiste finanziell nie dem Einreiseland zur Last fallen würde, da die Unterstützung durch den jeweiligen Bürgen erfolgen wird.
  • 7
    Vermutlich Luzie Levi [Lucie Loory], geb. Guckenheimer (*20.01.1906, †27.12.1962), 1939 Flucht in die USA.
  • 8
    Probably Alix Oberlaender, who was born on 06.08.1924 in Mannheim. The family lived at Bornwiesenweg 34, directly near the Guckenheimer grandparents. The last address in Frankfurt was Hansaallee 7. The Oberlaender family (Fritz and Adelheid, née Wolff, and their daughter Alice) was deported to Minsk on 11/11/1941.
  • 9
    Ida Levi (*06.06.1912), lived at Sternstraße 36, directly in the neighborhood of Hammanstraße 4. She emigrated to the USA
  • 10
    Bruno Wolf, born on 10/16/1878 in Mainz, lived at 175 Fürstenbergerstraße (according to the census of 5/17/1939).
  • 11
    Probably Siegfried Schott, called Friedel, from Frankfurter Str. 35 from Groß-Gerau, who emigrated to the USA in 1940. His mother is Mathilde Schott, née Guckenheimer, his father Markus Schott. His emigration planned for the end of March. Emil Marx writes to his son Martin in Chicago: „Today at noon we want to go to Friedel Schott, who wants to emigrate in 14 days; he will write to you after his arrival“ (Marx letters, March 17, 1940). He emigrated on April 3, 1940.
  • 12
    Presumably Bertha Lieselotte Stern, b. Mar. 22, 1926, parents: Ferdinand Stern (1890-1938) and Martha, née Katz (1897- 1942, Sobibor). During the Pogrom Night there were violent riots against the Stern family. After the Pogrom Night, the deportation of her father to Buchenwald and his death, she had to leave she had to leave the apartment in Frankenberg together with her mother and siblings on February 15. They moved to Frankfurt, where her maternal grandmother lived. Possibly they also lived for a time with a nephew of Ferdinand Stern at Maurerstraße 3 on the 2nd floor. The mother trained as a seamstress and sought emigration opportunities. The children Bertha Lieselotte and Helmut were able to emigrate with the Kindertransports.
  • 13
    Aunt Jenny is an emigrant cousin of Adolf Guckenheimer in Chicago, who was to procure the necessary „affidavit“ for Lieselotte, i.e. a guarantee that the immigrant would never be a financial burden to the country of entry, since the support will be provided by the respective guarantor.
  • 14
    Probably Luzie Levi [Lucie Loory], née Guckenheimer (*20.01.1906, †27.12.1962), 1939 escape to the USA.