Liebmann, Laura (née Koch)

(Letzte Bearbeitung / last updated on 18/09/2024)

18.7.1879 in Framersheim, 23.2.1971 in New York

Laura Liebmann, née Koch (ca. 1901)1Photo: Aus dem Privatbesitz der Familie Frumin / Private property of the Frumin family

English    Dokumente

Laura Liebmann, geb. Koch, ist die zwölf Jahre jüngere Schwester von Ludwig Koch und wurde am 18. Juli 1879 in Framersheim geboren. Sie heiratete am 7. Mai 1901 den Kaufmann Emil Liebmann aus Alzey. Das Paar hatte zwei Kinder, Alice (1903-1991) und Erich (1913-2003). Über die Familie Liebmann habe ich umfangreiche persönliche Dokumente erhalten von Lauras Urenkelin Lena Frumin aus Washington, die mich im Juli 2024 besuchte.2Der Kontakt zu Lena war über ihre Großcousine Debra Veit Hutter in Chicago sowie ihren Großcousin Yann Mars in Marseille zustande gekommen. Lena brachte Fotos und Briefe mit, die von ihrer Großmutter Alice und der Urgroßmutter Laura stammten. Sie wohnte vier Tage bei mir im ehemaligen Haus der Familie Guckenheimer. Wir folgten gemeinsam den Spuren ihrer Familie in Alzey, Frankfurt und Offenbach, wo ihre Mutter Hilda geboren wurde, und tauschten unsere Recherchen aus. Ein wichtiges Ergebnis des intensiven und sehr freundschaftlichen Austauschs mit Lena ist die eingehende Dokumentation, die ich ihren Vorfahren auf dieser Website widmen möchte.

Lauras Mann Emil war nicht nur ein wohletablierter Geschäftsmann, sondern auch Stadtverordneter und Mitglied des Turnvereins in Alzey. Er führte in der Antoniterstraße 5-7, wo die Familie wohnte, „ein Detailgeschäft in Manufaktur- und Baumwollwaren und außerdem ein Engrosgeschäft in Leinen und Wäsche. Das Geschäft befand sich über 100 Jahre im Besitz unserer Familie und gehörte zu den angesehensten in der Stadt“, beschreibt Laura Liebmann die erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit ihres Mannes.3[HHStAW 518 Nr. 30163. 1950-1971.] Er starb am 11. Juni 1924 im Alter von 53 Jahren in einem Wiesbadener Krankenhaus.

Laura Liebmann war die Alleinerbin und führte die Warenhandlung nach dem Tod ihres Mannes fort. „Im Geschäft, das 5 große Schaufenster hatte, waren zuletzt noch 8 Angestellte beschäftigt. Der Umsatz belief sich 1930 auf ca. RM 200.000,00, ging dann langsam aber auf RM 100.000,00 herunter. Mein Nettoverdienst belief sich auf ungefähr 8% des Umsatzes. Da das Geschäft unter den Boykottmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes sehr litt, habe ich es im November 1935 verkauft. Ich bin dann von Alzey nach Offenbach a.M.“, heißt es in Laura Liebmanns Antrag von 1955 auf Wiedergutmachung des nationalsozialisitischen Unrechts, das sie erlitten hatte.4HHStAW 518 Nr. 30163. 1950-1971.

Nach dem Verkauf des Wohn- und Geschäftshauses in der Antoniterstraße 5 zog Laura nach Offenbach in den Dreieichring 4. Das kleine Wohnhaus in der Wilhelmstraße 8, das auf der Rückseite der Antoniterstraße 7 lag und ihr ebenfalls gehörte, verkaufte sie am 2. Juni 1938. Den Einheitswert von 5,900 RM, den sie dafür erhielt, übertrug sie per Schenkung an ihren Bruder Ludwig Koch. Offenbar hatte sie erreicht, dass ihr Bruder mit seiner Frau als Mieter in die Wilhelmstraße 8 einziehen konnten. Diese hatten ihr Haus in der Antoniterstraße 74 veräußern müssen und suchten daher eine neue Bleibe.

Eine gewerbliche Tätigkeit war für Laura Liebmann wie für die jüdische Bevölkerung insgesamt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Sie bereitete zusammen mit ihren beiden Kindern Erich und Alice sowie ihrem Schwiegersohn Ernst Emanuel Koch die Auswanderung in die USA vor, die ihr im September 1938, kurz vor der Reichspogromnacht, von Le Havre aus nach New York glückte. Zuvor musste sie 22.956 Reichsmark für die Reichsfluchtsteuer sowie eine Judenvermögensabgabe an das Finanzamt in Offenbach entrichten. Ihr verbliebenes Vermögen von 54.485,97 Reichsmark, das auf einem Sperrkonto des Bankhauses Friedrich Hengst & Co. in Offenbach eingefroren war, musste sie bei der Auswanderung zurücklassen. Unmittelbar vor der Ausreise schenkte sie ihrem Schwager Jakob Liebmann in Frankfurt 1.800 RM und ihrem Bruder Ludwig Koch weitere 300 RM. Bei ihrer Ankunft in den USA war sie praktisch mittellos.

Ihre damalige Situation beschreibt sie wie folgt: „Als ich im September 1938 von Deutschland aus nach den Vereinigten Staaten auswanderte, befand ich mich bereits im 60. Lebensjahr. Ich besaß eine nur unzulängliche Kenntnis der Sprache. Infolgedessen war es mir unmöglich, eine Arbeitsstelle zu finden oder ein eigenes Geschäft zu eröffnen.“

In den Briefen von Ludwig und Thekla Koch an ihre Enkeltochter Lieselotte in Chicago von 1940/41 wird immer wieder auf Laura Liebmann, die damals in New York lebte, Bezug genommen. Ein Brief ihres Bruders Ludwig an sie vom 30. Oktober 1940 ist erhalten geblieben.

Referenzen in den Briefen:

04.09.1940, 14.10.1940, 30.10.1940, 04.11.1940, 25.11.1940, 06.12.1940, 20.12.1940, 03.01.1941, 21.01.1941, 27.01.1941, 06.03.1941, 27.03.1941, 30.03.1941, 09.04.1941, 19.04.1941, 02.05.1941, 14.05.1941, 06.06.1941, 26.06.1941, 27.06.1941, 01.07.1941, 08.07.1941, 29.07.1941, 01.08.1941, 02.09.1941, 31.10.1941, 09.11.1941

Deutsch     Documentss

Laura Liebmann, née Koch, was Ludwig Koch’s younger sister by twelve years and was born in Framersheim on July 18, 1879. She married the merchant Emil Liebmann from Alzey on May 7, 1901. The couple had two children, Alice (1903-1991) and Erich (1913-2003). I received extensive personal documents about the Liebman family from Laura’s great-granddaughter Lena Frumin from Washington, who visited me in July 2024.5Contact with Lena was established through her great-cousin Debra Veit Hutter in Chicago and her great-cousin Yann Mars in Marseille. Lena brought photos and letters from her grandmother Alice and great-grandmother Laura. She stayed with me for four days in the former house of the Guckenheimer family. Together we followed the traces of her family in Alzey, Frankfurt and Offenbach, where her mother Hilda was born, and exchanged our research. An important result of the intensive and very friendly exchange with Lena is the detailed documentation that I would like to dedicate to her ancestors on this website.

Laura’s husband Emil was not only a well-established businessman, but also a town councillor and member of the gymnastics club in Alzey. At Antoniterstraße 5-7, where the family lived, he ran “a retail business in manufactured and cotton goods and also a wholesale business in linen and underwear. The business was owned by our family for over 100 years and was one of the most respected in the city,” says Laura Liebmann, describing her husband’s successful business activities.6HHStAW 518 Nr. 30163. 1950-1971. He died on June 11, 1924 at the age of 53 in a Wiesbaden hospital.

Laura Liebmann was the sole heiress and continued the business after her husband’s death. “In the store, which had 5 large shop windows, there were 8 employees at the end. Turnover in 1930 amounted to around RM 200,000.00, but then slowly fell to RM 100,000.00. My net earnings amounted to about 8% of turnover. As the business suffered greatly from the boycott measures of the National Socialist regime, I sold it in November 1935. I then moved from Alzey to Offenbach a.M.,” states Laura Liebmann’s 1955 application for restitution for the National Socialist injustice she had suffered.7HHStAW 518 Nr. 30163. 1950-1971.

After selling the residential and commercial building at Antoniterstrasse 5, Laura moved to Dreieichring 4 in Offenbach. On June 2, 1938, she sold the small residential building at Wilhelmstrasse 8, which was at the rear of Antoniterstrasse 7 and also belonged to her. She transferred the unit value of RM 5,900 that she received for the property to her brother Ludwig Koch as a gift. Apparently she had managed to get her brother and his wife to move into Wilhelmstraße 8 as tenants. They had previously had to sell their house at Antoniterstraße 74 and were therefore looking for a new place to live.

At this point, it was no longer possible for Laura Liebmann, or for the Jewish population as a whole, to work commercially. Together with her two children Erich and Alice and her son-in-law Ernst Emanuel Koch, she prepared to emigrate to the USA, which she managed to do in September 1938, shortly before the Reichspogromnacht, from Le Havre to New York. Beforehand, she had to pay 22,956 Reichsmark for the Reich flight tax and a Jewish property levy to the tax office in Offenbach. She had to leave behind her remaining assets of 54,485.97 Reichsmark, which were frozen in a blocked account at the banking house Friedrich Hengst & Co. in Offenbach, when she emigrated. Immediately before leaving the country, she gave her brother-in-law Jakob Liebmann in Frankfurt 1,800 Reichsmark and her brother Ludwig Koch a further 300 Reichsmark. On her arrival in the USA, she was practically penniless.

She describes her situation at the time as follows: “When I emigrated from Germany to the United States in September 1938, I was already in my 60s. My knowledge of the language was inadequate. As a result, it was impossible for me to find a job or open my own business.”

In the letters from Ludwig and Thekla Koch to their granddaughter Lieselotte in Chicago from 1940/41, there are repeated references to Laura Liebmann, who was living in New York at the time. letter from her brother Ludwig to her dated October 30, 1940 has been preserved.

References in the letters:

04.09.1940, 14.10.1940, 30.10.1940, 04.11.1940, 25.11.1940, 06.12.1940, 20.12.1940, 03.01.1941, 21.01.1941, 27.01.1941, 06.03.1941, 27.03.1941, 30.03.1941, 09.04.1941, 19.04.1941, 02.05.1941, 14.05.1941, 06.06.1941, 26.06.1941, 27.06.1941, 01.07.1941, 08.07.1941, 29.07.1941, 01.08.1941, 02.09.1941, 31.10.1941, 09.11.1941



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Anmerkungen / Notes
  • 1
    Photo: Aus dem Privatbesitz der Familie Frumin / Private property of the Frumin family
  • 2
    Der Kontakt zu Lena war über ihre Großcousine Debra Veit Hutter in Chicago sowie ihren Großcousin Yann Mars in Marseille zustande gekommen. Lena brachte Fotos und Briefe mit, die von ihrer Großmutter Alice und der Urgroßmutter Laura stammten. Sie wohnte vier Tage bei mir im ehemaligen Haus der Familie Guckenheimer. Wir folgten gemeinsam den Spuren ihrer Familie in Alzey, Frankfurt und Offenbach, wo ihre Mutter Hilda geboren wurde, und tauschten unsere Recherchen aus. Ein wichtiges Ergebnis des intensiven und sehr freundschaftlichen Austauschs mit Lena ist die eingehende Dokumentation, die ich ihren Vorfahren auf dieser Website widmen möchte.
  • 3
    [HHStAW 518 Nr. 30163. 1950-1971.]
  • 4
    HHStAW 518 Nr. 30163. 1950-1971.
  • 5
    Contact with Lena was established through her great-cousin Debra Veit Hutter in Chicago and her great-cousin Yann Mars in Marseille. Lena brought photos and letters from her grandmother Alice and great-grandmother Laura. She stayed with me for four days in the former house of the Guckenheimer family. Together we followed the traces of her family in Alzey, Frankfurt and Offenbach, where her mother Hilda was born, and exchanged our research. An important result of the intensive and very friendly exchange with Lena is the detailed documentation that I would like to dedicate to her ancestors on this website.
  • 6
    HHStAW 518 Nr. 30163. 1950-1971.
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    HHStAW 518 Nr. 30163. 1950-1971.
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    Photo: Aus dem Privatbesitz der Familie Frumin. / Private property of the Frumin family.
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    Photo: Aus dem Privatbesitz der Familie Frumin. / Private property of the Frumin family.
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    Die rote Nummer 16 verweist auf die Antoniterstraße 5-7, wo Emil und Laura Liebmann (geb. Koch) ihre Textil- und Manufakturwarenhandlung führten. Auf der Rückseite der Liegenschaft befindet sich das Haus Wilhelmnstraße 8, wo bis 1941 Ludwig und Thekla Koch wohnten. Die rote Nummern 2 verweist auf die Antoniterstraße 74, wo Ludwig, Thekla und Otto Koch bis Ende der 1930er Jahre lebten und eine Handlung mit Landesprodukten führten. / The red number 16 refers to Antoniterstraße 5-7, where Emil and Laura Liebmann (née Koch) ran their textile and manufactured goods shop. At the rear of the property is the house at Wilhelmnstraße 8, where Ludwig and Thekla Koch lived until 1941. The red number 2 refers to Antoniterstraße 74, where Ludwig, Thekla and Otto Koch lived until the end of the 1930s and ran a shop selling country products. (Photo: Hermann Tertilt
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